TEATR ATELIER KRAKOW - PRESSESTIMEN:
AUSWAHL IN DEUTSCHER SPRACHE



HANS HIEBEL über WATT

Die Beckett-Konferenz und das Beckett-Festival in Straßburg (30.3.-5.4.1996)

Auch zwei Bühnen-Sensationen brachte das Theater-Festival: Marek Kedzierskis Watt-Adaptation und Robert Scanlans Trilogy. Kedzierskis Watt-Adaptation mit Kalita und Koprowski vom Bücklein-Theater Krakau (ein Ableger des Stary-Theaters) bildete die Krönung der Theaterereignisse: Virtuoses Sprechtheater vereint mit intensiv-konzentriertem Kammertheater in der Tradition Tadeusz Kantors. Kedzierskis Bühnenadaption des Romans Watt, die auf seiner eigenen Übersetzung beruht, ist, wie der Roman selbst, mehr fulminantes Sprachspiel als Ereignis-Darstellung. (…) Viel Raum für Regie hat der Beckett-Herausgeber Jérome Lindon (Les Editions de Minuit) Kedzierski nicht gelassen; er wurde zu minimal art und Sprechtheater gezwungen; schlichteste Szenen mit einer Person oder zwei auf einem Bühnen-Quadrat mit einer Sandfläche in der Mitte, Dunkel, keine Requisiten, mit Ausnahme zweier schlichter Stühle, einem Hut und einer schwaches gelbliches Licht ausdünstenden Hängelampe. (…) Im matten Lichtkegel stehen oder sitzen die beiden einzigen Akteure (oder nur einer). Die Mittel sind auf ein Minimum reduziert. Resultat: ein Maximum an Wirkung und Sinn (schwer faßbarem Sinn freilich). Laute, die kein Sinn zu belasten scheint? Wenngleich Watt und seine Bühneninszenierung keine Lösungen bieten (Beckett: "Es gibt für solches ernstes Zeug Universitäten, Kirchen und Cafés du Commerce usw.), so ist die Aufführung doch voller Sinn: Trotz der absoluten Musikalität des Gesprochenen, das von Beckett selbst wie auch vom Regisseur Kedzierski fast gänzlich entsemantisiert wird, ist Sinn spürbar: die Einsamkeit des Einzelnen, die Unmöglichkeit von Kommunikation, der Schmerz der Traumata und Zwangsvorstellungen, die Abwesenheit von Glück und Licht, die Unnahbarkeit des ´Arbeitgebers´ Knott, die Abwesenheit des Existenz-Gebers. Kedzierski erhellt Watt mit Hilfe der späten Stücke Becketts, die Charakteristika dieser späten Werke werden in die Inszenierung integriert.

AAA - Arbeiten aus Anglistik und Amerikanistik Band 22 (1997) Heft 2,
Gunter Narr Verlag Tübingen

GERTRUD WALDECKER über WATT

"Laute, die kein Sinn belastete". Bücklein-Theater Krakau spielte Becketts "Watt" in Karlsruhe

(…)
"Die Worte, die ich hörte, vernahm ich … als reine Laute, die kein Sinn belastete…" An diese Beobachtung Molloys, eines anderen Titelhelden Becketts, mußte sich halten, wer - des Polnischen nicht mächtig - sich unvermutet einer Idee des irischen Sprachskeptikers konfrontiert sah, nähmlich der, die Sprache als unmittelbaren Ausdruck zu begreifen, nicht als ein Instrument der Kommunikation. Also lauschten wir den Lautkaskaden, dem rhztmischen Steigerungen, gefolgt von abrupten Schweigeminuten, krähenden Rufen, tonlosen Passagen.

Diese Lautsymphonie war Hintergrund für die mimischen Zeichen, die Serien der Gebärden, die von den beiden Ensemblemitgliedern des hochkarätigen Krakauer Stary-Theaters meisterhaft eingesetzt wurden. Deutend gespreizte Finger, mechanisch bewegte Hände, oder der ruckhaft emporgeworfene Kopf, der steifbeinigeGang entfalteten den unsinnigen Kosmos des Mr. Knott (=not) und seines Dieners Watt (=what).

Janusz Koprowski und Marek Kalita kommen und gehen, sitzen und stehen, schlürfen und trippeln in graugrünen Uniformmänteln, faltigen Hosen, zerknüllten Hüten vor einer farblosen Backsteinfassade mit hohen Bogenfenstern, hinter denen trübes Licht quilt. Psychiatrische Anstalt oder Bahnhofswartehalle? Jedenfalls der ortlose Raum (Uwe Oelkers), der üblicherweise die Beckettschen Kunstfiguren umgibt, Unpersonen, die trotz oder wegen ihres reduzierten Daseins manche zu faszinieren vermögen.

Diese Theaterfiguren hat man hierzulande über all den bunten Spektakeln schie vergessen. Nun kamen sie, die westeuropäische Szenen jahrzentelang beschäftigt hatten, aus Krakau zurück auf die Karlsruher Bühne.

Badische Neueste Nachrichten 12.Juni 1995


KATHARINA DESCHKA in FAZ

Kunstfiguren im schwarzen Raum.
Das "Innere Theater" gastiert bei den "Samuel Beckett Tagen" in Frankfurt.

Regisseur, Beckett-Übersetzer und Autor, Marek Kedzierski hatte Überzeugungskraft: In Deutschland richtete er Prosatexte Becketts für den Rundfunk ein. Er ermöglichte auch, daß das ursprünglich als Fernsehinszenierung konzipierte Stück "Quadrat" im Theater gezeigt wurde. Außerdem hat Kedzierski die erste Bühnenfassung von Becketts 1953 erschienenem Roman "Watt" geschrieben, das zum ersten Mal 1994 am "Teatr Bückleina" in Krakau auf die Bühne kam.

Im Frankfurter Internationalen Theater war jetzt Kedzierskis Inszenierung von "Watt" mit dem "Teatr Atelier Krakau" zu sehen. Weitere Gäste der "Samuel Beckett Tage" waren das Berliner "Kunsthaus Bethanien", das sich mit dem Krakauer Theater zum "Inneren Theater" zusammengeschlossen hat, der Autor, Regisseur und Dozent Oliver Sturm sowie Regisseur Walter D. Asmus, lange Jahre Becketts Freund und Mitarbeiter. Über ihre Auffassung von Werktreue und Produktionsbedingungen sprachen die drei Regisseure, deren Beckett-Miniaturen am selben Abend gezeigt wurden.

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.07.1998


PETER LAUDENBACH
GLÜCKLICHE NÄCHTE

Play it again, Sam: Eine Zwischenbilanz des internationalen Beckett-Festivals.

Das Licht ist nicht kalt, weiß und brutal, sondern wandert milde gedämpft von Gesicht zu Gesicht. Die Bühne versinkt nicht in völliger Nacht, sondern bleibt als beruhigender Dämmer im Hintergrund sichtbar. Die polnischen Schauspieler unter Kedzierskis Regie erlauben sich größere Leichtigkeiten und Ausflüge in komödiantische Töne. Marek Kalita, der den Mann zwischen den beiden Frauen spricht, ein großer, empfindsamer Komiker, verwandelt später ebenfalls unter Kedzierskis Regie eine Passage aus Becketts monströsem Roman "Watt" in aberwitziges Existenz-Kabaret.

Der Tagesspiegel, 24.09.2000


AKADEMIE DER KÜNSTE: SPRECHDURCHFALL UND ERLÖSUNG

Mit Dramatiker wie Gombrowicz, Mrozek oder Rozewicz verfügt Polen über eine eigene, bedeutende Tradition des Absurden im Theater. Dennoch - oder vielleicht gerade deshalb - beschäftigt sich das Teatr Atelier in Krakau seit einigen Jahren intensiv mit Beckett. Beim Beckett-Festival zeigte es drei Einakter und einen Monlog. Während Beckett bei der Einstudierung von "Spiel" 1978 in Berlin die Schauspieler anhielt, psalmodierend, fast singend zu sprechen, präsentierten Ewa und Marek Kalita und Malgorzata Galkowska die Dreiecksbeziehung der aus Urnen ragenden Köpfe mit energischer Lebendigkeit.

In ungeheurem Tempo jagte der Regisseur Marek Kedzierski die Figuren durch den Text und arbeitete dabei gelungen dessen groteske Komik heraus. In "Nicht ich" wird der Mensch vollends reduziert auf einen Mund mit "Sprechdurchfall", den Dagmara Foniok in virtuoser Weise plastisch werden ließ.

Walter D. Asmus, der selbst häufig mit Beckett zusammenarbeitete und Organisator des Festivals ist, setzte mit seiner präzisen Miniatur "Kommen und Gehen" auch künstlerisch seine Signatur unter die Veranstaltung. Im letzten Teil des 80-minütigen Abends war Watt (Marek Kalita), der Titelheld von Becketts gleichnamigem Roman, zu erleben, wie er, im alten Filzmantel, verklemmt, aber sympathisch, seine beengte Welt kommentiert und seine Beobachtungen, Erfahrungen und Gedanken zunehmend emphatisch zum Besten gibt. Ein kurzweiliger, klassischer Beckett-Abend.

Die Welt 25.09.2000